Forschung
Kulturen und Raumordnungen der Arbeitstiere. Grundlagen zu einer Geschichte der tierlichen Trag- und Zugarbeit
Im Zentrum des vom SNF finanzierten AfA-Forschungsprojekts stehen Fragen nach den Beständen, der Haltung, der Zucht, den Fähigkeiten und den Leistungen der Arbeit leistenden Tiere sowie nach den Verhältnissen, in denen sie genutzt wurden. Wir interessieren uns für die Kooperationen von Menschen und Tieren in Arbeitskontexten, für die besonderen Logiken des Umgangs mit lebenden Ressourcen und für die Verhaltensweisen und Arbeitsvermögen der Tiere. Aus diesen mensch-tierlichen Arbeitszusammenhängen gingen, so die erkenntnisleitende These, Raumordnungen und Arbeitskulturen hervor, deren historische Rekonstruktion im Zentrum des Projekts steht.
Thematisch konzentrieren wir uns auf die bewegenden Kräfte der Arbeitstiere und auf die Kontexte ihrer Verwendung. In diesen waren Landwirtschaft und Transportgewerbe vielfach miteinander verbunden. Zeitlich fokussieren wir uns auf die zwei Jahrhunderte von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. In diesem langen Zeitraum waren die Arbeitstiere zentrale Akteure der Modernisierungsprozesse in der Landwirtschaft und im Transportwesen. Das gilt auch und besonders für jene Zeit, in der die Eisenbahnen das Transportwesen revolutionierten und die landwirtschaftlichen Arbeiten zunehmend mechanisiert wurden. Anhand filmischer Quellen gehen wir zudem der Frage nach, welche Rollen Arbeitstiere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch spielten und wie sie im Zeitalter der Motorisierung wahrgenommen wurden.
Das Forschungsprojekt integriert Erkenntnisinteressen der neuern Agrar- und Verkehrsgeschichte sowie der Human-Animal Studies mit einer quellennahen, empirischen Herangehensweise. Es liefert einen Beitrag zum besseren Verständnis der Verkehrs- und Agrargeschichte und ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz, generieren doch die aktuellen Umweltdiskussionen einen wachsenden historischen Deutungsbedarf für die Potentiale und Grenzen der Nutzung lebender Ressourcen.
Das Forschungsprojekt wird in einer institutionellen Kooperation zwischen dem Archiv für Agrargeschichte (AfA), der Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte (WSU) am Historischen Institut der Universität Bern sowie ViaStoria, der Stiftung für Verkehrsgeschichte durchgeführt.
Das auf drei Jahre (2020-2022) angelegte Projekt wird von Peter Moser geleitet. Hauptbearbeiter ist der Verkehrshistoriker Hans-Ulrich Schiedt. Andreas Wigger beschäftigt sich vor allem mit den filmischen Quellen und deren Verzeichnung und Publikation (www.ruralfilms.eu). Im April 2024 erscheint im Chronos Verlag die aus dem Projekt entstandene Monographie "Auf den Spuren der Arbeitstiere. Eine gemeinsame Geschichte vom ausgehenden 18. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts".
Publikationen aus dem Projekt
Juri Auderset, Peter Moser, Hans-Ulrich Schiedt (Hg), Arbeitende Hunde – die Arbeit der Hunde. Eine historische Spurensuche, Bern 2021.
Peter Moser, Hans-Ulrich Schiedt, Arbeitstiere im langen 19. Jahrhundert. Empirische Evidenzen und soziale Kontexte, Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 2021 (im Druck).
Hans-Ulrich Schiedt, Arbeitende Hunde – die Arbeit der Hunde, in: Zeitschrift der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft SKG 3/2022, S. 14-16.
Hans-Ulrich Schiedt, Auf den Spuren der Arbeitstiere. Eine gemeinsame Geschichte vom ausgehenden 18. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, Zürich 2024 (im Druck).
Andreas Wigger, Bewegende Tiere auf bewegten Bildern. Filme als Quellen und Vermittlungsformat zur Geschichte der arbeitenden Tiere in der Zeit der Massenmotorisierung (1950-1980), Masterarbeit, Fribourg 2023.