Seiler-Neuenschwander, Jakob (1886-1970)--DB3314
Person
Lebensdaten
16.05.1886-19.08.1970
Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort
Merishausen (SH)
Zivilstand, Konfession, Nachkommen
Verheiratet mit Hedwig Neuenschwander; reformiert
Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen
Sohn des Markus Müller und der Maria geb. Hermann
Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit
Ausbildung
Habilitation an der Universität München 1922; Universität Zürich: Dissertation über die Geschlechtschromosomen von Schmetterlingen 1914; Zoologiestudium an den Universitäten Genf und Zürich 1909-1912; Primarlehrer -1908; Lehrerseminar in Schaffhausen
Berufsausübung
ETHZ: Ordentlicher Professor für Zoologie 1938-1957, ausserordentlicher Professor für Zoologie 1933-; Universität München: Ausserordentlicher Professor für Zellenlehre 1927-; Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin: Assistent 1914
Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen
Funktionen in anderen Institutionen
Funktionen in der Politik
Biographische Skizze
Jakob Seiler kam am 16. Mai 1886 in Merishausen (SH) zur Welt. An der Kantonsschule Schaffhausen besuchte er das Lehrerseminar, das er mit dem Primarlehrerpatent abschloss. Danach unterrichtete er zwei Jahre in Bellinzona und in Merishausen, bevor er an der Universität Zürich bei Arnold Lang Zoologie studierte.
Seilers Onkel war Bienenzüchter, der ihn darauf aufmerksam machte, dass Drohnen aus unbefruchteten Eiern entstehen konnten. Dieses Phänomen der Parthenogenese begann auch Seiler zu interessieren. Sein akademischer Lehrer verwies ihn an die Universität München, wo er bei Richard Goldschmidt doktorierte. Da Goldschmidt das Bienenthema bereits anderweitig vergeben hatte, empfahl er Jakob Seiler, die chromosomale Geschlechtsbestimmung bei Schmetterlingen aufzuklären. Seiler entdeckte die Geschlechtschromosomen der Schmetterlinge und wies auf die cytologische Heterogamie der Weibchen wie auch die Homogametie der Männchen hin. Danach kehrte Seiler in die Schweiz zurück und promovierte im Jahr 1914 an der Universität Zürich. Als Richard Goldschmidt im selben Jahr die Leitung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biologie in Berlin-Dahlem übernahm, stellte er Jakob Seiler als Assistenten an. In Berlin befasste er sich weiterhin mit Schmetterlingschromosomen.
1920 nahm Jakob Seiler eine Mitarbeiterstelle bei seinem Freund C. B. Haniel an, der in Schlederlohe bei München ein privates Forschungsinstitut errichtet hatte. 1922 habilitierte sich Seiler an der Universität München. 1928 erfolgte seine Ernennung zum Professor; 1933 folgte der Ruf an die ETH Zürich, wo er über zwanzig Jahre lang als Zoologe lehrte. 1957, im Jahr seines Rücktritts, gewann er den Marcel-Benoist-Preis.
Jakob Seilers Hauptarbeitsgebiet betraf das Geschlechtsleben der Schmetterlinge; als Modellorganismus diente ihm der Schmetterling Solenobia triquetrella. Er forschte, wie Richardt Goldschmidt, auch auf dem Gebiet der Intersexualität und zeigte, dass männliche und weibliche Faktoren in den Intersexen gleichzeitig und von Anfang an nebeneinander wirken. Allerdings kam es auf diesem Gebiet zu unterschiedlichen Deutungen zwischen Seiler und Goldschmidt, der 1958 verstarb. Nach Goldschmidts Tod schrieb Seiler in einem Artikel in der Schweizerischen Landwirtschaftlichen Forschung 1963, es lasse sich heute beweisen, dass das Goldschmidtsche Zeitgesetz der Intersexualität als Erklärungsprinzip für Solenobia nicht in Frage komme; ob es für Goldschmidts Objekt Gültigkeit habe, müsste erneut experimentell geprüft werden.
Jakob Seiler interessierte sich auch für Fragen der Getreidezucht. In der Schweiz wurde er diesbezüglich bekannt, als er im Zusammenhang der grossen Landwirtschaftsausstellung in Bern im Jahr 1925 im Kleinen Bund eine radikale Kritik an der von Martinet, Gustave (1861-1928)--DB2277 und Volkart, Albert (1873-1951)--DB3669 verkörperten Getreidezüchtung publizierte. Seiler, der die schwedische Saatzuchtanstalt in Svalöf im Rahmen einer von der deutschen Gesellschaft für Vererbungsforschung durchgeführten Exkursion besichtigt hatte, war begeistert davon, wie in Svalöf 'planmässig' vorgegangen und wissenschaftliche, namentlich genetische Erkenntnisse gleichsam fabrikmässig umgesetzt würden. Demgegenüber vermisste er in der Schweiz eine 'planmässige Kulturpflanzenzüchtung'. Diese sei stark von den Praktikern beeinflusst, daher veraltet und wirkungslos. Volkart, der als Professor für Pflanzenbau an der ETH lehrte, reagierte drei Jahre nach Seilers Kritik. Volkart, der sich im Gegensatz zu Martinet selbst als 'Genetiker' verstand, relativierte den Einfluss der Genetiker auf die bisherigen Fortschritte in der Getreidezüchtung und verwies auf die Erfolge, welche die Zusammenarbeit von Theoretikern und Praktikern gezeitigt hätten.
Autor: Peter Moser
Quellen und Literatur
Eigene Publikationen
- Verzeichnis der Publikationen von J. Seiler, in: Revue suisse de zoologie. Genève, tome 73, fasc. 2, Mai 1966, S. 176-180
- Die praktische Ausnützung der Ergebnisse der Erblichkeitsforschung in Schweden: ein Musterbeispiel planmässiger, moderner Kulturpflanzenforschung, in: Der Kleine Bund, Bern, 13.12.1925, S. 394-397
- Darwinsche Auslesetheorie und moderne Genetik, in: Süddeutsche Monatshefte. München, Jg. 25, 1928, S. 405-409
- Zum Rücktritt von Prof. Dr. Küpfer, Max (1888-1940)--DB2052 von seiner Lehrtätigkeit an der ETH Zürich, in: Schweizerische Landwirtschaftliche Monatshefte, 1933, S. 127/28
- Grundlagenforschung über Geschlechtsvererbung und Intersexualität, in: Schweizerische Landwirtschaftliche Forschung, Jg. 2, 1962, S. 197-209
Quellen
- AfA Personendossier Nr. 776
- Albert Volkart, Die Getreidezucht in der Deutschen Schweiz. Ein Rückblick und Ausblick, Zürich 1928
- Peter Moser, Züchten, säen, ernten. Agrarpolitik, Pflanzenzucht und Saatgutwesen in der Schweiz 1860-2002, Baden 2003, S. 32 und 63-66
- Hadorn, Ernst: 'Jakob Seiler', in: Neue Zürcher Zeitung, 27. August 1970, S. 25