Laur, Ernst Ferdinand (1871-1964)--DB2092
Person
Lebensdaten
27.03.1871-30.05.1964
Mädchenname, Herkunftsort bzw. Heimatort
Basel
Zivilstand, Konfession, Nachkommen
Verheiratet mit Laur-Schaffner, Sophie (1875-1960)--DB2095; protestantisch; zwei Töchter und zwei Söhne: Rudolf Laur-Bélart (1899-1972) und Laur, Ernst (1896-1968)--DB2091
Soziale Herkunft, verwandtschaftliche Beziehungen
Sohn eines Spitalverwalters in der Stadt Basel
Ausbildung, berufliche Tätigkeit und Funktionen in der Öffentlichkeit
Ausbildung
Universität Leipzig: Dr. phil. 1896; Ing. Agr. ETHZ 1890-1893; Landwirtschaftliche Schule Strickhof; Untergymnasium Basel
Berufsausübung
Schweizerischer Bauernverband (SBV): Geschäftsführer (ab 1908 Direktor) und Vorsteher des Schweizerischen Bauernsekretariats (Bauernsekretär) 1897-1939 (als Vorgänger von Howald, Oskar (1897-1972)--DB1663); ETHZ: Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre 1908-1939 (als Nachfolger von Kraemer, Adolf (1832-1910)--DB2000 und Vorgänger von Howald, Oskar (1897-1972)--DB1663), Dozent für landwirtschaftliche Buchhaltung 1908- (als Nachfolger von Moos, Hans (1862-1929)--DB2417), Privatdozent 1901-1908; Landwirtschaftslehrer in Brugg 1894-1897; Gutsverwalter; Gutsbetrieb Paradies: Verwalter 1893- (als Vorgänger von Stamm, Heinrich (1852-1902)--DB3405); Praktika auf Gutsbetrieben
Funktionen in landwirtschaftlichen Institutionen
Commission Internationale d'Agriculture (CIA): Präsident; Comité Européen d'Agriculture (CEA): Präsident 1948
Funktionen in anderen Institutionen
Funktionen in der Politik
Biographische Skizze
Ernst Laur wurde in Basel geboren, wo sein Vater Spitalverwalter war. 1895 heiratete er Sophie Schaffner, die Tochter eines Wirts in Effingen (AG). Nachdem Laur das Untergymnasium in Basel und die Landwirtschaftliche Schule Strickhof in Zürich besucht hatte, studierte er nach Praktika auf Gutsbetrieben Agronomie an der ETH Zürich. Anschliessend war er kurze Zeit als Gutsverwalter, dann als Landwirtschaftslehrer in Brugg tätig. An der Universität Leipzig promovierte Laur 1896 zum Dr. phil. Zwei Jahre später wurde er zum ersten Vorsteher des Schweizerischen Bauernsekretariats und zugleich Geschäftsführer, später Direktor, des 1897 gegründeten Schweizerischen Bauernverbandes gewählt. Sein engster und wichtigster Mitarbeiter im Bauernsekretariat war Adjunkt Nater, Henry (1872-1939)--DB2528. Die Funktionen als Direktor des Bauernverbandes und Bauernsekretär übte Laur bis 1939 aus. Gleichzeitig wirkte er von 1908 bis 1937 auch als Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der ETH, wo er bereits seit 1901 als Dozent für Agrarpolitik (ab 1905 auch für Landwirtschaftliche Betriebslehre) unterrichtete.
Neben seiner Tätigkeit im Dienste der landwirtschaftlichen Organisationen war Laur auch Delegierter des Bundesrats für Handelsverträge von 1904 bis 1945. Der Erste Weltkrieg brachte den Verbänden neue Aufgaben und einen Machtzuwachs in der Organisation und Durchführung der Ernährungssicherung der Bevölkerung. Laur, der schon bei der Bildung der Milchverbände zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle gespielt hatte, war, ähnlich wie Schulthess, Edmund (1868-1944)--DB3258, auch in der Kriegswirtschaft im Ersten Weltkrieg eine zentrale Figur. Während der ein Leben lang am Konzept einer internationalen Arbeitsteilung festhaltende Laur die Agrarpolitik des Bundes in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stark prägte, gelang ihm dies in der Krise der 1930er-Jahre auf nationaler Ebene nur noch sehr bedingt, weil jetzt eine neue Agronomengeneration dominierte, der u.a. Käppeli, Josef (1872-1942)--DB1840, Feisst, Ernst (1897-1968)--DB1010, Wahlen, Friedrich Traugott (1899-1985)--DB3702, Bernhard, Hans (1888-1942)--DB297 und Keller, Hans (1882-1941)--DB1873 angehörten, die mit Erfolg eine an den nationalen Bedürfnissen orientierte Agrar- und Ernährungspolitik propagierten.
Zusammen mit Kraemer, Adolf (1832-1910)--DB2000, Zaugg, Fritz (1885-1956)--DB3889, Nebiker, Hans (1901-1985)--DB2530, Baumgartner, Hans (1910-1984)--DB248, Dettwiler, Emanuel (1924-)--DB813, Hüni, Albert (1904-1957)--DB1698 und Vallat, Jean (1924-2009)--DB3638 gehörte Laur zu den Pionieren des landwirtschaftlichen Buchhaltungswesens. Im Unterschied zu Meyenburg, Konrad von (1870-1952)--DB2359 war Laur überzeugt, dass sich (auch) das Agrarische zahlenmässig zergliedern liess. In den 1920er Jahren pflegte Laur einen intensiven Gedankenaustausch mit Landmann, Julius (1877-1931)--DB2072, mit dem er auch einen regen Briefwechsel unterhielt.
Laurs Wissen beruhte nicht zuletzt auf den wissenschaftlichen Auswertungen der Buchhaltungserhebungen des Bauernsekretariates, die ihm einerseits Grundlagen für die Interessenpolitik des Verbands, andererseits die Basis für eine bäuerliche Betriebslehre lieferten, die internationale Ausstrahlung gewann. Basierend auf Vorarbeiten von Abt, Heinrich (1854-1937)--DB7 entwickelte Laur das Konzept des Ertragswertes. Seine Lehrbücher wurden in viele Sprachen übersetzt und mehrfach aufgelegt. Besonders gross war sein Einfluss im Ausland in der Zwischenkriegszeit in den neuen Agrarstaaten Ostmitteleuropas, wo er als Garant des bäuerlichen Betriebes gegen den Grossgrundbesitz wahrgenommen wurde. Aufgrund seines internationalen Ansehens wurde Laur 1948 bis 1950 auch Präsident des neuen Verbands der Europäischen Landwirtschaft. Gleichzeitig setzte auf der nationalen Ebene eine zuerst vor allem von Steiner, Karl P. (1924-2011)--DB3448 verkörperte grundsätzlich Kritik an Laurs landwirtschaftlicher Betriebslehre ein.
Autoren: Peter Moser und Daniel Flückiger
Quellen und Literatur
Eigene Publikationen
Vgl. Bibliographie in AfA Personendossier Nr. 326
Quellen
- AfA Personendossier Nr. 326
- Archivbestand Laur, Ernst, in: Schweizerisches Bundesarchiv (AfA-Nr. 2015)
- Agrarpolitische Revue März 1951, S. 245-246; Februar/März 1961, S. 222-230; Juni 1964, S. 401-404
- Baumann, Werner, Bauernstand und Bürgerblock. Ernst Laur und der Schweizerische Bauernverband 1897-1918. Zürich 1993
- Baumann, Werner, Moser, Peter, Bauern im Industriestaat. Agrarpolitische Konzeptionen und bäuerliche Bewegungen in der Schweiz 1918-1968, Zürich 1999
- Brugger, Hans: Die schweizerische Landwirtschaft 1850 bis 1914, Zürich 1978
- Moser, Peter, Mina Hofstetter. Eine ökofeministische Pionierin des biologischen Landbaus. Texte und Korrespondenz, München 2024
- Schweizerische Landwirtschaftliche Monatshefte 42 (1964), S. 209-213
- Schweizerische Landwirtschaftliche Monatshefte 49 (1971), S. 135-136
Schlagworte
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